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Buchbesprechung
vom Stein, Alexander (2005) Creatio. Biblische
Schöpfungslehre
Lychen,
Daniel-Verlag. Preis: 19,90 €
Eine
insgesamt sehr gemäßigte Rezension findet man bei www.waschke.de/twaschke/buch/creatio.pdf. Der Autor dieser Besprechung geht mehr auf die
biologischen Aussagen ein, die geprägt sind von einem
fundamentalistischen Kurzzeitkreationismus: Die Erde sei nur wenige
tausend Jahre alt, in sechs 24-stündigen Tagen geschaffen, der
Tod erst mit dem Sündefall des Menschen auf die Erde gekommen,
und was dergleichen Unsinn mehr ist - bis hin zur
Größe und dem ausreichenden Platz für die
geschaffenen Grundtypen auf Noahs Arche.
Als Botaniker schaut man
natürlich auf die (spärlichen) Bemerkungen zu
Pflanzen. Dabei kann man eigentlich nur den Kopf ob der krausen
Ungereimtheiten schütteln, die aus einem
wortwörtlichen Verständnis der Bibel abgeleitet
werden: Unter anderem steht dort, dass in der ursprünglichen
Schöpfung "Pflanzen als Nahrung für Mensch und Tier
geschaffen" wurden, die erst nach dem Sündenfall "sich zur
Wehr (Dornen, Gift) setzen". Erst dann - hört, hört -
entwickelten sich "fleischfressende Pflanzen" (der Tod, und damit
alle Karnivoren, kam ja erst durch den Sündenfall des Menschen
auf die Erde!). Und der Tod der Pflanzen und ihrer Samen und
Früchte im Magen der Tiere? Aber - don't worry - die waren ja
nach 1.Mose 1.29 "gegeben zu eurer Speise".
Ein besonderes
Ärgernis sind die gesellschaftlichen und ethischen
Implikationen, die mit einer unglaublichen Unverfrorenheit formuliert
werden. An zwei Beispielen soll das vorgeführt
werden. So findet sich auf S. 59 eine
Abbildung mit folgende Bildunterschrift:
"Bei den Nachkommen Kains ist
schon deutlich die Missachtung der Schöpfungsordnung Gottes
erkennbar. Lamech nahm sich zwei Frauen und setzte sich damit
über die von Gott gegebene Form der Ehe (ein Mann und eine
Frau) hinweg. Heute erkennen wir, dass diese Ordnung völlig
aufgelöst wird. Jeder ist frei, einen individuellen 'Lebensentwurf' zu wählen, wie es ihm gefällt. Die
Folgen bleiben nicht aus."
Diese nicht gottgewollten, die
Schöpfungsordnung verletzenden Entwürfe werden in der
zugehörigen Abbildung fein säuberlich mit
Piktogrammen
illustriert und dem Ideal der traditionellen Familie (Vater mit
Aktentasche, Mutter mit Kleid und Zopf und vier Kinder)
gegenübergestellt: unter anderem Alleinerziehende, homosexuelle Paare
mit Kindern, Doppelverdiener, Familien mit Hausmann, Wochenendfamilie,
Kinderlose, schwule und lesbische Paare, Patchwork-Familien, freie
Wohn- und Lebensgemeinschaften etc. Hier wird, wie an vielen anderen
Stellen dieses vom Verlag als "wertvolles Werkzeug" bezeichneten Buches,
ein archaisches Gottes- und Gesellschaftsbild vermittelt, das mit den
Werten einer liberalen, demokratischen Gesellschaft unvereinbar
ist.
An anderer Stelle
(Tabellarische Übersicht zur "Veränderung der
Schöpfung durch Gottes Gerichte" auf S. 208) findet sich vor
dem Sündenfall "Ehe für Mann und Frau (Monogamie)"
und in der Situation danach "auch Vielehe (Polygamie),
Homosexualität und andere Formen der Perversion".
Ähnliche zutiefst diskriminierende Formulierungen finden sich
mehrfach und zeigen die Gefahr, die von solchen Büchern
ausgeht: Im Mantel einer naturwissenschaftlich verkleideten Darstellung
wird ein extrem konservatives Gesellschafts- und Weltbild transportiert
- genau das, was die "Wedge-Strategy" der US-amerikanischen
Fundamentalisten propagiert: Evolution und Kritik an ihr als
"Einfallstor" für eine grundlegende Veränderung der
Gesellschaft - und hier auf dem Weg über Kinder und
Schule. So findet sich in einem
Verlagstext (Internetzugriff beim Daniel-Verlag am 9.1.2008) folgende Anmerkung:
"Zielgruppe sind sowohl die christlichen Schulen - dieses begeleitende
Schulbuch wird inzwischen von zahlreichen Bekenntnisschulen eingesetzt
- als auch jede christliche Familie."
Empfohlen und gelobt wird dieses
Buch von Reinhard Junker, einem der Köpfe der
"Studiengemeinschaft Wort und Wissen", die damit auch zu erkennen gibt,
dass sie eben nicht wie manchmal beschönigend dargestellt
wird, zu der etwas gemäßigteren Fraktion der
Evolutionsgegner gehört.
Was man im übrigen unter
"begleitendem Schulbuch" verstehen soll, liegt auf der Hand: Auf dem
Tisch in der Schule liegt ein Biologiebuch aus dem Kanon der von den
zuständigen Kultusbehörden zugelassenen
Büchern (vor allem, wenn jemand von der Schulbehörde
einmal hereinschauen sollte) und unter dem Tisch - vermutlich im
wahrsten Wortsinn "maßgeblich" - "Creatio" - eine
erschreckende Vorstellung, nicht nur für einen Biologen. Und
so geht damit an die Schulbehörden auch die Aufforderung einer
strengen Kontrolle solcher "Bekenntnisschulen" und ihrer
Unterrichtsinhalte. Ein weiteres Detail stimmt nachdenklich: Eine
portugiesische Übersetzung ist am 1.10.2007 erschienen;
Übersetzungen ins Englische, Russische und Spanische sind in
Arbeit. Wer finanziert dies eigentlich?
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Fußnoten
Inkl.
DVD mit dem kompletten Buch im pdf-Format sowie zahlreichen
zusätzlichen Texten (überwiegend von Autoren der
"Studiengemeinschaft Wort und Wissen", Baiersbronn).
Autor: Stefan
Schneckenburger
© AG
Evolutionsbiologie des VdBiol.
04.02.2008