Fred
Hartmann & Reinhard Junker (2009): Bibel, Schöpfung,
Evolution
Erstmalig
wurden in einem größeren Zusammenhang
Unterrichtsentwürfe als Lehrerhandbuch für so
genannte evangelische
Bekenntnisschulen veröffentlicht, in einem Buch
von Fred HARTMANN und Reinhard JUNKER mit dem Titel "Bibel,
Schöpfung, Evolution: Grundlegende
Unterrichtsentwürfe
für Schule und Gemeinde", Christliche Verlagsgesellschaft mbH,
Dillenburg 2009, Herausgegeben von der Studiengemeinschaft Wort und
Wissen e.V. Die ersten drei Unterrichtsreihen
(Die Herkunft des Menschen, Die Sintflut, Der Turmbau zu Babel) wurden
von Fred HARTMANN konzipiert (Schulleiter der "Freien Evangelischen
Gesamtschule Minden", ein Mitglied des Verbandes Evangelischer
Bekenntnisschulen), während für die folgenden 2
Kapitel (Fossilien, Evolution und Schöpfung; Design-Signale
der Schöpfung) Reinhard JUNKER,
Geschäftsführer der kreationistischen Organisation
"Wort und Wissen", verantwortlich zeichnet. Das Buch umfasst
350 Seiten. Zahlreiche Arbeitsblätter und Folienvorlagen sowie
weiteres Begleitmaterial auf einer beiliegenden CD stehen dem
Unterrichtenden zur Verfügung.
Ziel dieses Lehrerhandbuches ist
es, methodisch-didaktisch aufbereitete Unterrichtsmodelle als
Gegengewicht zur Evolutionstheorie für den Einsatz an Schulen,
die sich am biblischen Schöpfungsmodell orientieren, in den
Fächern Religion, Geschichte und Biologie
unterrichtsunterstützend anzubieten und darüber
hinaus für die Unterweisung in christlichen Gemeinden und in
der Familie (geeignet ab ca. 11-14 Jahren) Material zur
Verfügung zu stellen, mit einer fundamentalistischen Auslegung
der Bibel. Dabei wird den Schülern und Schülerinnen
eine Art Parallelwelt zugemutet, die der Teilhabe an der
Informationsgeselllschaft im 21. Jahrhundert vollkommen
abträglich ist und zu grotesken Deutungsmöglichkeiten
und Zweifeln an der menschlichen Intelligenz Anlass geben. Einige
Beispiele mögen dies verdeutlichen: So soll im
Kapitel "Die Sintflut" geklärt werden, wie der
Koala-Bär, der nur in Australien lebt, in die Arche gekommen
sein könnte. Lösungsvorschlag: Gott sorgte
dafür, wie die Tiere zur Arche kamen. Möglicher
Schülereinwand: Kontinentalverschiebung. Mögliche
Antwort der Lehrkraft: Vor der Sintflut waren die Kontinente
näher zusammen.
Originalton Buch:
" ...es gibt Wissenschaftler, die
der Meinung sind, dass die Kontinentalverschiebung erst vor einigen
tausend Jahren begann. Es sind dieselben, die daran zweifeln, dass die
Gesteinsschichten im Lauf vieler Millionen Jahre entstanden sind. Ob
sie recht haben, können wir wissenschaftlich heute nicht mehr
sagen, weil keiner weiß, wie hoch die Geschwindigkeit der
auseinanderdriftenden Kontinente vor einigen tausend Jahren gewesen
ist. Beide Möglichkeiten könnten stimmen: Die langen
Zeiträume oder auch der Beginn der Kontinentalverschiebung vor
wenigen tausend Jahren. Sollten die Kontinente vor der Sintflut also
noch näher zusammen gewesen sein, dann war es für den
Koalabären kein unüberwindliches Problem, den Weg zur
Arche über Land zu finden."
Wenn
nun also die Erklärung, wie der Koala auf die Arche
kam, "so einfach"
ist, wie sieht es dann beim Faultier aus? Noch einen
weiteren
Aspekt,
der die Geschichte ad absurdum
führt,
gilt es zu bedenken: Würde die Noah-Geschichte stimmen,
wäre
eine graduell abgestufte Artendichte zu erwarten: Das
Mannigfaltigkeitszentrum müsste um den Berg Ararat herum
liegen
und
dann, in Abhängigkeit von der Mobilität der Arten, in
konzentrischen
Kreisen mit der Entfernung abnehmen. In Wahrheit jedoch sind
gerade die immobilsten Tiere oft am Weitesten von
diesem
imaginären Landungspunkt der Arche
entfernt (DAWKINS 2010), (5). Zudem wäre man, so
DAWKINS
weiter, gezwungen
anzunehmen, dass z.B. alle Pinguine zum Südpol gewatschelt
sind
und
kein einziger zum Nordpol, wo sie vergleichbare Lebensbedingungen
vorgefunden hätten. Andere Tierarten hätten
ausnahmslos nach
Australien
ziehen müssen – weil sie heute nur dort vorkommen
–,
ohne dass sich auch nur ein einziges Exemplar irgendwo anders
niedergelassen
hätte
oder unterwegs verstorben sei. Wie man es auch dreht und wendet, die
Geschichte ist von vorn bis hinten eine intellektuelle
Zumutung.
In dem Buch werden längst
widerlegte Ansichten konserviert, z. B. bezieht man sich bei der
biblischen Sintflut auf J. SCHEVENs verqueren Ansichten zur Geologie.
Originalton Buch:
"Die Schüler werden
Vermutungen
äußern: Archäologische Überreste,
vielleicht Ablagerungen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf
hinzuweisen, dass es möglicherweise nicht möglich
ist, Überreste von Menschen, Tieren und Gebäuden zu
finden, die während der Sintflut umgekommen sind bzw.
zerstört wurden. Die Flut war vielleicht so
zerstörend, dass kaum etwas vom "Gesicht " der Erde
übrig geblieben ist. J. SCHEVEN vermutet, dass alle
organischen Stoffe durch die Macht der Elemente (Hitze, Druck,
mechanische Zerstörung) zu Erdöl oder - was einen
Teil der Wälder betrifft - zu Kohle umgewandelt wurden
(SCHEVEN: "Karbonstudien", Hänssler 1986 und "Katastrophen
zwischen Sintflut und Eiszeit", Hänssler 1988). An dieser
Stelle könnte auch die Frage diskutiert werden, ob man
angesichts einer weltweiten Katastrophe überhaupt irgendwelche
menschlichen Überreste erwarten könne."
Es soll offensichtlich, da die
etablierte Wissenschaft keine Beweise
einer weltumspannenden Katastrophe der biblischen Sintflut bisher
finden konnte, diese Art "Beweisführung" die Realität
verschleiern. Es lässt sich vortrefflich darüber
spekulieren,
ab wann hier Unwissen und Halbbildung zum Maßstab
gemacht wird.
Der so mit Fehldeutungen eingedeckte Schüler erfährt,
dass die biblische Sintflut um 2.300 v.Chr. stattgefunden
hätte. In einem Beitrag hat der Verfasser dieses Kommentars
nachgewiesen, dass dieses angegebene Datum nicht stimmig sein kann (1).
In einer E-Mail vom 11.Nov.2008 gibt Reinhard JUNKER an, bei Wort und
Wissen wolle man das Sintflutdatum offen halten. Die
Widersprüche häufen sich und lassen den Co-Autor
unglaubwürdig erscheinen.
Anhand der Darstellung des Buches
(2009 erschienen) werden nunmehr zwei
Zeitleisten eingeführt. Eine Zeitschiene (Folie F19, S. 226)
vermittelt dem Schüler ein Schöpfungsdatum um 4000
v.Chr. über das Sintflutdatum (um 2300 v.Chr.) bis zum Jahr 0
(Geburt Jesu Christi). Der Lehrkraft wird zum Sintflutdatum folgendes
angeboten (S. 170):
"Umgerechnet in unsere
Zeitrechnung wäre
das (Anmerkung: das Sintflutdatum)
2300 v.Chr. F19 ("Zeitleiste von der Schöpfung bis Jesus")
kann dies veranschaulichen. Dies gilt im Falle einer
lückenlosen Chronologie im Genesis-Buch.
Andernfalls können sich die betreffenden Daten um mehrere
hundert bis über 1000 Jahre verschieben. Die nicht
ausdiskutierte Frage nach der eventuellen Lückenhaftigkeit der
biblischen Angaben zu den Patriarchen ist in unserem
Unterrichtzusammenhang nebensächlich. Es sollte dennoch nicht
der Eindruck erweckt werden, als ob genaue Datierungen direkt den
biblischen Schilderungen entnommen werden können."
Was soll ein Schüler noch
glauben, wenn er ein biblisches
Sintflutdatum um 2300 v.Chr. lernen soll, während ihm z.B. im
Geschichtsunterricht ganz andere historische Fakten vermittelt werden?
Schließlich glaubt er dann an gar nichts mehr. Den
Schülern werden u.a.
Aufgaben gestellt, wieviele Tiere Noah
mit an Bord der Arche nehmen musste und eine
vergleichende Rechnung präsentiert.
Originalton Buch:
"Rechnung: 121 Schafe passen in
einen
Güterwagen. Die Ladefläche der Arche entspricht 280
Güterwagen. Ergebnis: Auf die Arche passten 34 000
Schafe".
Aber das ist ja nur ein
Gedankenspiel. JUNKER weiß es besser:
Höchstzahl der mitzunehmenden Tiere: ca. 17.000 Wirbeltiere.
(2).
Die angebenen Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem
Kuriositätenkabinett des Kreationismus. Aber je intensiver man
dieses Machwerk liest, desto mehr Ungereimtheiten
lassen sich finden.
Hier kann man nur Kardinal SCHÖNBORN zustimmen:"Der
Kreationismus ist schlicht Unsinn" (3,4).
Quellen
(1) AG EvoBio, Newsticker
20.10.10, Wolfgang Jähnig: Canada, o
Canada! Richard Wiskins Dinosaurier - Ein Kommentar zu: "Waren auf der
Arche Noah auch Dinosaurier ?"
(2) Fred Hartmann/Reinhard Junker:
Passten alle Tiere in die Arche Noah
? Wort + Wissen-Diskussionsbeitrag 4/90.
(3) Schöpfung und
Evolution - zwei Paradigmen und ihr
gegenseitiges Verhältnis - Vortrag von Kardinal Christoph
Schönborn an der Österreichischen Akademie der
Wissenschaft beim Symposium über Evolution am 4. März
2009
http://www.erzdioezese-wien.at/content/artikel/a16230
(4) Evolution und
Schöpfung - Vortrag von Christoph Kardinal Schönborn
am 3. Januar 2009 im Kloster Mehrerau
http://www.kath-kirche-vorarlberg.at/organisation/ethikcenter/artikel/evolution-und-schoepfung
(5) Dawkins, R. (2010) Die
Schöpfungslüge: Warum Darwin Recht hat.
Ullstein-Verlag.