Kommentar
Dynamische Denkweise trifft auf statische Denkweise
Eine "Studiengemeinschaft" zieht Bilanz
Es ist einmal interessant, näher zu beleuchten, wie der Leitungskreis der Studiengemeinschaft "Wort und Wissen", sowie einige sich als "Wissenschaftler" (1) bezeichnende Mitarbeiter ein Wirken zur Außenwelt präsentieren. 1996 hat die Studiengemeinschaft ein erstes Konzept mit dem Titel "Die naturwissenschaftliche Forschung von "Wort und Wissen" - eine Bilanz" veröffentlicht (2). 16 Jahre später liegt nunmehr eine aktualisierte Darstellung vor mit dem Titel "Naturwissenschaft bei Wort und Wissen - eine zweite Bilanz" (3).
Bei einem Vergleich der beiden Bilanzen fällt auf, dass zur Begründung der Handlungsweise der Studiengemeinschaft ganze Passagen der ersten Bilanz im zweiten Text nahezu wortwörtlich übernommen wurden. Es lässt Rückschlüsse auf Stagnation zu, obwohl das bestritten wird. Jedoch die Bilanzen sind geschönt und spiegeln eine "Parallelwelt" wider, die an der Realität der tatsächlichen Verhältnisse vorbeigeht. Die Studiengemeinschaft bedient ihre eigene Klientel und ist dabei zur etablierten Wissenschaft und etablierten Religionsforschung isoliert. Es findet kein fruchtbarer Gedankenaustausch statt.
Die Studiengemeinschaft will weiterhin an der Vorstellung eines Kurzzeit-Kreationismus festhalten. Sie will "Schöpfungsforschung" (in ihren Texten immer mehr durch "naturwissenschaftliche Forschung" ersetzt) auf der Grundlage der biblischen Überlieferung deuten. Das führt jedoch zu Fehlinterpretationen.
Ein Glaubens- und Weltverständnis des Übergangs von der Spätantike zum Frühmittelalter führt unweigerlich zu einer kruden Vermischung von Religion und Naturwissenschaft. Die Bibel ist kein Naturkundebuch und der Text ist in sich geschlossen. Es kann nichts mehr geändert werden. Die Deutungsversuche von Mitarbeitern der Studiengemeinschaft unterliegen einer statischen Denkweise, die durch die Bibel vorbestimmt wird, während Wissenschaftlichkeit mit ihrer dynamischen Denkweise allseits offen ist. Das Wirken der Studiengemeinschaft hat dagegen ihren Auslöser in etwas, das mit naturwissenschaftlichen Mitteln prinzipiell nie in Frage gestellt werden darf, weil es dogmatisch fixiert ist.
Die zweite Bilanz weist erstmalig einen Anhang auf mit dem Titel "Zur biblischen Begründung der Position von Wort und Wissen". Es werden 12 bibliographische Angaben aufgeführt, darunter 7 Angaben mit Veröffentlichungen von Manfred Stephan, einem studierten Geologen. Er ist in der etablierten Wissenschaft so gut wie unbekannt und niemand hat sich bisher - von einer Ausnahme abgesehen - ernsthaft mit ihm auseinandergesetzt. Diese kritische Auseinandersetzung bezieht sich auf 2 Beiträge von Rüdiger Heinzerling aus theologischer Perspektive zur sog. biblisch-urgeschichtlichen Geologie (4), (5).
Doch lassen wir Stephan selbst zu Wort kommen, beispielsweise zur biblischen Sintflut: "Sollte Gott die Flut in ausschließlich wunderhafter Weise bewirkt haben, waren unter Umständen keine Über-Reste der Sintflut in Form von Schichtgesteinen und Fossilien zu erwarten, d.h.die Flut hinterließ möglicherweise keine erforschbaren Spuren. Denn man kann nicht ohne weiteres voraussetzen, dass Gottes Wunderhandeln erforschbare Objekte hinterläßt" (6).
Neben verqueren Spekulationen vertritt Stephan die These, dass das Fehlen gewisser Pflanzen- und Tierfossilgruppen, die in bestimmten Schichtfolgen gefunden werden müssten, mit "geologisch nicht überlieferten Lebensräumen" erklärt werden können. Im Rahmen "schöpfungsorienter Grundtypenbiologie" so Stephan, könnten Menschen zeitweise in solchen nicht überlieferten Lebensräumen existiert haben und menschliche Fossilien könnten aus ökologischen Gründen erst (weit) oben in der geologischen Schichtenfolge existieren (7).
Noch verquerer wird es, was Stephan und andere Mitarbeiter der Studiengemeinschaft über "Bausteine" zur urgeschichtlichen Geologie zu vermelden haben. Mit diesen "Bausteinen" wird wie in einem Puzzlespiel die Hoffnung verbunden, dass sie in Zukunft Teile eines umfangreicheren Modells werden könnten (8).
Mit dem Festhalten am Kurzzeit-Kreationismus begibt man sich in ein "Wolkenkuckucksheim" auf einen Stand, den im Jahre 1650 der irische Erzbischof James Usher mit seinen Berechnungen zum Alter der Erde aufgrund der biblischen Genealogie die Geburtsstunde der Erde auf den 23. Oktober 2004 v.Chr. genau beziffern wollte. Jedoch ein Jahrhundert später fanden Geologen heraus, dass die dicke, großflächige Sedimentschichten Jahrmillionen brauchten, um zu entstehen. 1897 fand der Physiker Ernest Rutherford heraus, dass man mit der Messung von radioaktivem Zerfall das genaue Alter von Steinen bestimmen kann. Nun stellte man fest, dass die Gesteinsproben weltweit nicht nur Millionen von Jahren, sondern etliche Milliarden Jahre alt waren. Mit der Suche nach dem tatsächlichen Alter der Erde ergab sich allerdings eine Schwierigkeit, denn Steine aus der frühesten Phase der Erdgeschichte sind sehr schwer zu finden, da infolge von Erosion, Tektonik und Kontinentalverschiebung die Erdoberfläche immerfort verändert wird.
Gewissheit bekam man erst, als es 1953 gelang, im Barrington Krater von Arizona das Alter von Meteoritenresten zu bestimmen. Danach musste die Erde mindestens 4,5 Milliarden Jahre alt sein. Modernste radiometrische Messungen bzw. Datierungstechniken ergaben eine exakte Messung von 4 Milliarden 576 Millionen Jahren (9).
Wir schreiben das Jahr 2012.
Offensichtlich hat man bei der Studiengemeinschaft immer noch nicht
begriffen, dass man die Bibel nicht wortwörtlich nehmen kann.
Sobald Zahlen im Spiel sind, hat der Kreationismus schlechte Karten.