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Faktenwissen

Evolution: Die Entstehung des genetischen Codes

Zufall oder perfektes Design - was sagt die Wissenschaft?


Sonne des genetischen Codes

Die Evolution des genetischen Codes bleibt rätselhaft. Ist er ein "eingefrorener Zufall", wie der Nobelpreisträger Francis CRICK vor 50 Jahren annahm? Ist er das Ergebnis natürlicher Wechselwirkungen zwischen RNA-Molekülen und Aminosäuren? Oder ist er das Ergebnis eines Optimierungsprozesses? In der Fachwelt herrscht nur Konsens darüber, dass er sich in mehreren Schritten entwickelte und weniger zufällig zu sein scheint, als CRICK glaubte. Gelegentlich wird behauptet, der Code sei "optimal" und seine Perfektion ein Indiz für seinen intelligenten Ursprung. Die These zweier Wissenschaftler, seine Struktur sei statistisch so auffällig, dass sie als Signale außerirdischer Urheber zu werten seien, schaffte es sogar in eine referierte Fachzeitschrift! Was ist dran an solchen Behauptungen? Eine Übersichtsarbeit.

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Aus dem Inhalt


- Was ist der genetische Code?

- Einige Besonderheiten des genetischen Standardcodes

- Was verrät der genetische Code über seine Entstehung?

- Warum kodiert der Triplett-Code nur für 20 Aminosäuren?

- Was sagen die Kreationisten dazu?

- Wie bestimmt man Optimalität?

- Wie gut optimiert ist der genetische Code?

- Wäre Optimalität ein Beweis für "intelligentes Design"?

- Wozu die "seltsame Verknüpfung" von Codons und Aminosäuren?

- Wäre ein intelligent optimierter Code ein Argument gegen die "gemeinsame Abstammung aller Organismen"?

- Der genetische Code als Wow!-Signal

- Zusammenfassung

- Literatur

Zusammenfassung

Die These, der genetische Standardcode sei optimal, um die Wirkung von Mutationen abzupuffern und würde ein "intelligentes Design" nahelegen, geht aus mehreren Gründen fehl. Erstens haben neuere und deutlich exaktere Untersuchungen gezeigt, dass der genetische Code weit davon entfernt ist, optimal zu sein.

Zweitens würde selbst Perfektion kein "Design" beweisen, denn Optimalität lässt sich nur mithilfe theologischer Annahmen aus dem Design-Ansatz ableiten. Zudem kann Optimalität auch das Ergebnis natürlicher Auslese sein: Vor unserem biologischen Hintergrundwissen bietet der Evolutionsprozess eine weit bessere Erklärung.

Drittens zeigt der Standardcode klare Anzeichen von natürlicher Selektion. Zum Beispiel liefert die Kodierung von 20 Aminosäuren sowie das Zahlen-Verhältnis von zweifach zu vierfach degeneriertem Codon genau das Bild, welches man erwarten würde, falls ein primordialer Code schrittweise über einen überlappenden Dublett-Code mit Komma zum heutigen Triplett-Code expandierte (WU et al. 2005).

Viertens würde selbst ein Design-Beweis nicht die gemeinsame Abstammung und divergente Evolution der Organismen infrage stellen. Er würde bestenfalls vermuten lassen, dass der letzte gemeinsame Vorfahr aller heutigen Lebewesen "designt" wurde.

Fünftens hat sich das angebliche "Wow!-Signal" im genetischen Code, welches zwei Wissenschaftler als Hinweis auf seinen intelligenten Ursprung deuteten, als ein kruder Fall von Zahlenmystik herausgestellt: Das "Design-Signal" wird durch die frei gewählten formalen Operationen quasi vorfabriziert, was in der Fachwelt nicht unkommentiert blieb.

Autor: Martin Neukamm

Copyright: AG Evolutionsbiologie