Druck-Version

Druck-Version




Neues aus der Forschung

Was bedeutet Homologie in der Evolution?

Wie die Modularität von Proteinen die Evolution erleichtert


Nematoden Caenorhabditis elegans und Pristionchus pacificus

Den Begriff Homologie kann man treffend mit "phylogenetischer Ursprungsgleichheit" übersetzen. Das heißt, homologe Merkmale verschiedener Arten stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab. Obwohl in vielen Fällen eindeutig, ist Homologie nicht immer einfach zu ermitteln; je nach Faktenlage können sich Verwandtschafts-Hypothesen auch ändern. Doch das genaue Prozedere braucht uns hier nicht zu kümmern.

Titelbild: Elektronenmikroskopische Aufnahme der Fadenwürmer Caenorhabditis elegans und Pristionchus pacificus. Bildquelle: Prof. Dr. Ralf Sommer, Tübingen . Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

Einander homolog sein können Gene, Enzyme, anatomische Merkmale wie Organe oder Knochen sowie Verhaltensweisen. So sind mittlerweile viele Gen- und Proteinfamilien bekannt, deren Mitglieder einander homolog sind, also auf einen gemeinsamen Urahn (das "Ur-Gen" der betreffenden Familie) zurückgehen. Bekannte Beispiele sind das bei fast allen Organismen vorkommende Enzym Cytochrom C, mit dessen Hilfe einer der ersten Molekularstammbäume errechnet wurde, sowie die bei Wirbeltieren vorkommenden Globine, die dem Transport oder der Speicherung von Sauerstoff dienen.

Ein klassisches Beispiel für anatomische Strukturen sind die Homologien zwischen Teilen des Wirbeltierskeletts, so zum Beispiel zwischen den Flügeln der Fledermäuse, den Vorderhufen der Pferde, den Flossen der Wale und unseren Armen. Auch bei Verhaltensweisen können Homologien ausgemacht werden. So ist unser menschliches Lachen dem sogenannten "Spielgesicht" der Primaten homolog, und der Klammerreflex von menschlichen Neugeborenen, bei dem nacheinander alle Finger in die charakteristische Greifposition einlaufen, dem Klammerreflex von Affenbabys, mit dem sich die Tiere im Fell der Mutter festhalten.

Diese und unzählige andere Beispiele scheinen zu zeigen, dass der Begriff "Homologie" ein eindeutiger ist: Zwei betrachtete Merkmale sind entweder ursprungsgleich oder sie sind es nicht - doch so einfach liegen die Dinge nicht! Schon auf genetischer Ebene wird es kompliziert: Gene könne, etwa durch eine "Translokation", fremde DNA-Anteile aufnehmen. Die ursprüngliche und die neue Gen-Variante sind dann nur noch zum Teil homolog. Aber es geht noch komplexer: Die Arbeitsgruppe um den Evolutionsbiologen Ralf SOMMER konnte zeigen, dass bei verschiedenen Nematoden wie den Modell-Organismen Caenorhabditis elegans und Pristionchus pacificus die Bildung der Vulva von verschiedenen Signalwegen getriggert wird (WANG & SOMMER 2011). Das Organ hingegen, der Eiablageapparat, blieb in der äußeren Form bei beiden Tieren gleich.

Die Evolution scheint mit anderen Worten "die vorhandenen Signalwege fast wie ein Baukastensystem zu nutzen: Eine Signalkette kann wie bei P. pacificus an einer neuen Stelle angekoppelt und in einem neuen Zusammenhang genutzt werden" (MPI Tübingen). Eine solche developmental systems drift ist erwartungsgemäß selten, kommt aber vor. Und im Falle der Nematoden waren, wie genetische Analysen zeigen, offenbar auch keine grundlegenden genetischen Änderungen bzw. lange, umfassenden Mutationsserien dafür notwendig. Der modulare Aufbau der Proteine scheint der Evolution Freiräume zu schaffen und die regulatorischen Entwicklungs-Mechanismen stark verändern zu können, während die Strukturen der Organe wie auch der Signalketten häufig über lange Zeiten hochkonserviert bleiben.

In solch einem Fall muss man die anatomischen Strukturen also als einander homolog betrachten, die triggernden Signalwege hingegen als analog. Überwiegend aber kommt der umgekehrte Fall vor. Die morphologischen und anatomischen Strukturen Augen der Wirbeltiere und der Komplexaugen der Insekten etwa haben unterschiedlichen Ursprung, sind als unabhängig voneinander (konvergent) entstanden. Die Signalwege sind jedoch einander homolog, haben also den gleichen evolutionären Ursprung. In der Evolution kam es im Wesentlichen nur darauf an, bei Insekten und Wirbeltieren sukzessive unterschiedliche Strukturgene in die Signalwege "einzuschalten".

Literatur

MPI Tübingen: Wie der modulare Aufbau der Proteine die Evolution fördert.

WANG, X. & SOMMER, R. J. (2011) Antagonism of LIN-17/Frizzled and LIN-18/Ryk in Nematode Vulva Induction Reveals Evolutionary Alterations in Core Developmental Pathways. PLoS Biology 9(7), e1001110.

Autor: Andreas Beyer


Auf Facebook teilen Auf Twitter teilen

Copyright: AG Evolutionsbiologie