Als
Herausgeberin des Kompendiums zeichnet Angela SCHWARZ. Sie ist
Inhaberin des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an
der Universität Siegen. Anhand unterschiedlicher
disziplinärer Perspektiven haben aus elf Ländern
stammende Autorinnen und Autoren ein breites Themenspektrum
präsentiert, wobei auch nach der Zukunft des "Streitfalls
Evolution" gefragt wird.
Im Buchhandel wird das Buch zum
Preis von 50 Euro angeboten, was
angesichts des Umfangs von 788 Seiten und ca. 300, zumeist farbigen
Abbildungen, nicht überhöht ist. Mit einer
Übergröße und einem Gewicht von ca. 2,5 kg
dürfte die Grenze der Handlichkeit erreicht sein. Vielleicht
wäre eine zweibändige Ausgabe praktikabler gewesen
mit ergänzenden Themenbereichen, die nicht behandelt bzw.
unterbelichtet sind. Ursprünglich war das Buch auf
über 1000 Seiten angelegt.
Im Klappentext wird die Intention
des Buches wie folgt angegeben:
"Als
Charles Darwin im Jahr 1859 seine Theorie einer Evolution der Arten
durch natürliche Auslese veröffentlichte, sah er
bereits eine große Debatte voraus, jedoch nicht deren
Ausstrahlungskraft und Langlebigkeit. Zu Beginn standen die Folgen
für die Wissenschaften, den Glauben an Gott und die
Moralvorstellungen im Vordergrund. Bald kamen Überlegungen
über Gesellschaft, Politik, internationale Beziehungen und
über Eingriffe bis hinunter auf die Ebene des Individuums und
seines Erbmaterials, seiner Gene hinzu. Sozialdarwinismus, Eugenik,
Rassismus galten zeitweise als wissenschaftlich legitime Diskussions-
und Politikfelder. Befürchtungen vor einem vermeintlichen
Niedergang lassen sich bis heute angesichts der Biologisierung des
Denkens scheinbar wissenschaftlich objektiv untermauern.
Gegenwärtig sind die Kontroversen noch vielfältiger,
beziehen weit mehr Menschen ein als im späten 19. Jahrhundert,
haben weit gravierendere Auswirkungen".
Soweit die Darstellungsweise
anhand des Klappentextes, wobei unklar
ist, was man sich unter einem Begriff wie "Biologisierung des Denkens"
vorzustellen hat.
Das Buch bietet Fachleuten und
interessierten
Laien eine Fülle von Informationen aus unterschiedlichen
disziplinären und interdisziplinären Perspektiven
(u.a.
Geschichte, Wissenschaftsgeschichte, Naturwissenschaft, Theologie,
Soziologie, Politikwissenschaft, Medienwissenschaft) - im zeitlichen
Ablauf seit Entstehung der DARWIN'schen Evolutionstheorie bis zum
aktuellen Forschungsstand verfasst.
Die vorgelegte
Veröffentlichung ist
äußerst weit gefächert. Sie reicht von den
Anfängen einer öffentlichen Debatte über den
Wandel der
Evolutionskonzepte im Zeitverlauf, behandelt die Einflüsse
DARWINs
auf die visuelle Kultur (Fotografie), die Rekonstruktionen des
vorzeitlichen Menschen im Museum und geht bis zur Streitfrage
"Evolution oder Schöpfung?", das Verhältnis zwischen
Wissenschaft und Kreationismus (bzw. Intelligent Design) betreffend.
Des Weiteren
werden sozialdarwinistische Ideen im 19. Jahrhundert, die Eugenik
zwischen Realität und Fiktion, Debatten im Zeitalter des
Genoms,
Biotechnologie, Gentechnik und der Mensch in der Schöpferrolle
behandelt, um nur einige Aspekte zu erwähnen.
Schließlich
endet der Band mit der Darstellung der Evolution in der Gegenwart (u.
a. Richard Dawkins und die Popularisierung der Evolutionstheorie, das
DARWIN-Jahr 2009 in der Presse, DARWIN und die Evolutionstheorie in
Warenwelt und Popkultur des 21. Jahrhunderts).
Kritisch anzumerken ist, dass die
Rolle, die evolutionstheoretische
Gedanken in den modernen Wissenschaften spielen und gespielt haben, in
dem Band nicht angemessen beleuchtet wird. Man sollte nicht vergessen,
dass evolutionäre Prinzipien auch heute noch entscheidend zu
Problemlösungen beitragen, beispielsweise in der
Evolutionären Biotechnologie. Beiträge, die dies
erörtern, fehlen ebenso wie entsprechende Quellenangaben. Um
nur ein Beispiel anzuführen, sei die Veröffentlichung
von Martin NEUKAMM (Hrsg.) erwähnt: "DARWIN HEUTE - Evolution
als Leitbild in den modernen Wissenschaften", Wissenschaftliche
Buchgesellschaft Darmstadt, 2014.
Der Stand und Einfluss der
Evolutionstheorie sowie Gegenpositionen in
verschiedenen Ländern (USA, Großbritannien,
Russland, China) werden ausführlich dokumentiert. Die
Entwicklung in der Türkei bleibt leider außen
vor.
Im Anhang des Buches werden
Bildnachweise, Personenregister sowie der
wissenschaftliche Werdegang der Autorinnen und Autoren
angegeben.
Fazit: Der Schwerpunkt des Buches
bezieht sich auf die Kulturgeschichte
des "Streitfalls Evolution" und ist in dieser Breite der Darstellung
mit hervorragender Quellenlage eine Bereicherung und Ergänzung
für alle diejenigen, die sich mit den Gegnern der
Evolutionstheorie auseinandersetzen. Darüber hinaus ist das
Buch als Informationsquelle für eine
interessierte Leserschaft sehr zu empfehlen.