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Neues aus der Forschung

Entstehung des Lebens: Am Anfang waren heiße Gesteinsporen

Studie löst das Problem niedriger Ausgangskonzentrationen von Biomolekülen


Entstehung des Lebens

Die Entstehung des Lebens aus unbelebter Materie setzt relativ hohe Konzentrationen von Ausgangsstoffen (Bausteinen des Lebens) voraus, aus denen sich komplexere Moleküle bilden können. Hohe Konzentrationen aber können in der Ursuppe sicher nur lokal vorgelegen haben. Zwar ist schon lange bekannt, dass sich Moleküle teils selektiv an mineralischen Oberflächen wie Eisen- und Zinksulfid, in den Poren von Tonmineralien und Meteoriten sowie in Fettsäure-Vesikeln anreichern und dort miteinander reagieren können (GLAVIN & DWORKIN 2009; MULKIDJANIAN, 2009; SPIRIN 2005; WÄCHTERSHÄUSER 1988). Allerdings sind konkrete, experimentell untermauerte Szenarien Mangelware.

Das Forscherteam um den Biophysiker Dieter BRAUN von der Ludwig-Maximilians-Universität München wies nun erstmals nach, dass wasserumspülte Gesteinsporen unter dem Einfluss von Hitze (etwa in hydrothermalen Schloten) günstige Reaktionsräume für die Entstehung und Anreicherung komplexer Biomoleküle wie RNA und DNA darstellen (KREYSING et al. 2015). Wichtig ist dabei, "dass die Gesteinspore einseitig erhitzt ist, sodass die der Wärmequelle zugewandte Seite der Pore deutlich wärmer ist als die andere", lässt BRAUN auf der Ludwig-Maximilians-Universität München verkünden, der auch Mitglied des Exzellenzclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM) und des Center for NanoScience (CeNS) ist.

Der Effekt basiert auf dem Prinzip der Thermophorese: Befinden sich Moleküle in einem fluiden Medium, in dem ein Temperaturgefälle herrscht, bewegen sich die Moleküle von der warmen zur kalten Seite. Werden porenreiche Mineralien oder Gesteine von diesem ungleichmäßig heißen Medium umspült, sammeln sich die Moleküle in den kühleren Poren, konzentrieren sich dort auf und bleiben gefangen - die Poren werden zur "Molekülfalle".

Hydrothermale Schlote, etwa die sogenannten Weißen Raucher, bieten geradezu ideale Voraussetzungen für diesen Prozess (Abb. 1). Diese speien unaufhörlich heißes Wasser, reduzierende Gase und Mineralien ins Meer. Entlang der Strömungskanäle kommt das Wasser mit den Poren umliegenden Gesteins im Berührung und erzeugt jenes Temperaturgefälle, das es zum Festhalten und Aufkonzentrieren der eindringenden Moleküle braucht.

Weisser Raucher: Wiege des Lebens?

Abb. 1: Weiße Raucher sind stark alkalische (pH 9 bis 11), hydrothermale Schlote in vulkanischen Randzonen der Tiefsee. Das mineralische, bis zu 90°C heiße Wasser ist aufgrund eines Prozesses, der Serpentinisierung genannt wird, reich an reduzierenden Gasen wie Wasserstoff und Methan. Bei dieser Reaktion entsteht aus eisenhaltigen Mineralien wie Olivin und Wasser im Untergrund graugrüner Serpentin zusammen mit Wasserstoff und Methan, wobei Wärme freigesetzt wird. Alkalisches Grundwasser, das durch das zerklüftete Gestein zirkuliert, nimmt die Wärme und die Gase zusammen mit Metallionen auf und strömt unter Druck durch ein System aus mikroporösen, miteinander verbundenen und teils durchlässigen Wände der Schlote. An den Stellen, an denen es aus dem Meeresboden austritt, bewirken die Chemie- und Temperaturkontraste, dass sich Mineralien in rauchigen Schwaden und mineralisierten Schloten ablagern. Einfache anorganische Moleküle reagieren mit katalytisch wirkenden Mineralien in den Kammerwänden. Es wird diskutiert, dass dabei die primären Bausteine allen Lebens entstanden sind, nämlich Zucker, Lipide, Aminosäuren und Nukleobasen. Das in dem Porensystem herrschende Temperaturgefälle begünstigt durch Thermophorese die lokale Aufkonzentrierung dieser Primärbausteine. Die Idee ist, dass sie dabei unter dem Einfluss katalytisch wirksamer Mineralien zu Peptiden und Nukleotiden weiterreagierten. In einem weiteren Schritt entstanden daraus längere Ketten von Proteinen und Ribonukleinsäuren (RNA).

In den hydrothermalen Schloten ändern sich Temperatur, Druck und pH-Wert entlang des Strömungswegs und bieten so ein graduelles Spektrum von Reaktionsbedingungen, geradezu ideale Voraussetzungen für die Bildung essenzieller Biomoleküle. Das Modell von BRAUN und Kollegen offeriert die dafür notwendigen physikalischen Prozesse der Kompartimentierung und Aufkonzentrierung. Vor allem bei offenen Poren werden die für die Evolution wichtigen Kettenmoleküle wie Oligo- und Polypeptide, Proteine und Nukleinsäuren (DNA, RNA) festgehalten und begünstigen thermodynamisch die Kettenbildung.

Freilich ist in der Theorie schon länger bekannt, dass ein Temperaturgefälle, das sich über submillimetergroße Poren erstreckt, DNA-Bausteine anreichern und die Kettenbildung (Polymerisation, Entstehung von Nukleinsäuren und Lipid-Vesikeln) begünstigen könnte (MAST et al. 2013). Neu ist, dass die Wissenschaftler um BRAUN die Gesteinsporen im Labor nachbildeten und experimentell bestätigen konnten, dass dieses System funktioniert.

"Wir haben eine natürliche Pore mit winzigen Glaskapillaren nachgebaut, einseitig geheizt und mit Wasser durchspült, das DNA-Bausteine unterschiedlicher Länge enthielt. Unter diesen Bedingungen werden nur die langen DNA-Bausteine tatsächlich in der Pore festgehalten", heißt es auf BRAUNs Internetseite. "Geheizte Poren", so BRAUN weiter, "kamen im Vulkangestein der jungen Erde oft vor, dieses Szenario ist also sehr realistisch. Noch besser wird der Temperatureffekt, wenn man den Einfluss von im Gestein eingeschlossenen Metallen einbezieht, die eine hundertfach höhere Wärmeleitfähigkeit haben als Wasser".

Doch die DNA- und RNA-Moleküle werden nicht nur in der Pore festgehalten, sondern vermehren sich auch: Bildet sich durch Anlagerung passender Nukleotide an eine Matrize ein Doppelstrang, trennen sich dieser in der heißen Zone der Pore wieder auf. Die Einzelstränge werden durch den Konvektionsstrom wieder in kühlere Bereiche transportiert und ergänzen sich mit neuen Bausteinen zu einem Doppelstrang. Dieses Spiel setzt sich so lange fort, bis keine weiteren Moleküle mehr in der Pore gehalten werden können. Die replizierten Moleküle verlassen die Pore und verbreiten sich in benachbarten Porensystemen.

Damit ist es den Forschern erstmals gelungen, im Labor ein System nachzubauen, das eine autonome, Darwin'sche Evolution von immer komplexeren Molekülen ermöglicht – also die Voraussetzungen für die Entstehung von Leben schafft. "Leben bedeutet immer thermodynamisches Nichtgleichgewicht. Deswegen muss die Entstehung ersten Lebens durch eine externe Energiequelle angestoßen werden – etwa durch einen Temperaturunterschied", meint BRAUN, "dass dies so elegant und einfach möglich ist, hat uns selbst sehr überrascht. Möglich war dieser Erfolg nur durch die enge Zusammenarbeit aller im Team".

Literatur

GLAVIN, D.P. & DWORKIN, J.P. (2009) Enrichment of the amino acid L-isovaline by aqueous alteration on CI and CM meteorite parent bodies. PNAS 106, 5487–5492.

KREYSING, M.; KEIL, L.; LANZMICH, S. & BRAUN, D. (2015) Heat flux across an open pore enables the continuous replication and selection of oligonucleotides towards increasing length. Nature Chemistry, DOI: 10.1038/nchem.2155.

MAST, C.B.; SCHINK, S.; GERLAND, U. & BRAUN, D. (2013) Escalation of polymerization in a thermal gradient. PNAS 110, 8030–8035.

MULKIDJANIAN, A.Y. (2009) On the origin of life in the Zinc world: I. Photosynthesizing, porous edifices built of hydrothermally precipitated zinc sulfide as cradles of life on Earth. Biology Direct 4, DOI: 10.1186/1745-6150-4-26.

SPIRIN, A.S. (2005) RNA world and its evolution. Molekular Biology 39, 550-556.

WÄCHTERSHÄUSER, G. (1988) Before enzymes and templates: theory of surface metabolism. Microbiological Reviews 52, 452–484.


Autor: Martin Neukamm

Copyright: AG Evolutionsbiologie