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Faktenwissen
Junk-DNA
und Tandem repeats: Evolution oder Designsignal?
Casey
Luskin
"erklärt", warum Intelligent Design Funktionen in Junk-DNA
voraussagt
Der
Begriff "Junk-DNA" (z. Dt.: DNA-Müll)
scheint notorisch Verwirrung zu stiften. Die populärsten
Irrtümer lauten in diesem Zusammenhang: (1) Junk-DNA habe per
se keine wie auch immer geartete Funktion. (2) Das Junk-DNA-Konzept sei
überholt; Studien wie das ENCODE-Projekt hätten
gezeigt, dass 80% der genomischen DNA eine Funktion habe. (3) Die
Evolutionstheorie mache über das Auftreten völlig
funktionsloser DNA falsche Vorhersagen, könne also die neueren
Befunde nicht erklären. (4) Intelligent Design dagegen sage
die Existenz von Funktionen in Junk-DNA voraus, liefere also die
bessere Erklärung. Im vorliegenden Beitrag werden solche
Behauptungen entkräftet. Die Evolutionsbiologie hat nie
behauptet, alle Junk-DNA sei völlig funktionslos. Der
Funktionsbegriff ist in der Biologie vielschichtig; so kann man
Junk-DNA z.B. als DNA verstehen, die keine sequenzabhängige
(!) Funktion hat. Barbara MCCLINTOCK nahm bereits 1948 an, dass
Transposons regulatorische Elemente beinhalten können; sie
bekam den Nobelpreis für ihre Arbeiten. Zudem beruhen die
Resultate des ENCODE-Projekts auf methodisch fragwürdigen
Voraussetzungen: Die These, 80% des Kerngenoms habe eine Funktion, ist
nicht haltbar. Für die Entbehrlichkeit eines
Großteils
nicht-kodierender DNA spricht eine Reihe von Studien; die Pflanze Utricularia gibba
beispielsweise
hat den Großteil dessen eliminiert, was normalerweise das
Genom
von Pflanzen ausmacht. Endogene retroviral-DNA wird häufig
sogar
von der
Zelle inaktiviert. Intelligent Design profitiert von ENCODE am
wenigsten, und seine Vertreter sind sich selbst nicht einig, ob und
wieviel "Funktion" man zu erwarten habe.
pdf-Dokument
[ca. 588 kB]
Aus
dem Inhalt
-
Einführung
-
Freund oder Feind?
-
Funktional oder nutzlos? - Primäre und sekundäre
Funktionen
-
Ein Testfall für
die
Evolutionstheorie
-
DNA und Gene
-
Was ist Junk-DNA? Oder:
Gibt es
funktionslose Gene?
-
Beispiele für
Junk-DNA
-
Tandem repeats:
Strukturen mit
einer Funktion?
-
Das ENCODE-Projekt:
Haben 80% der
(Junk-) DNA eine Funktion?
-
Und was ist mit
Intelligent
Design?
-
Zusammenfassung
-
Literatur
Zusammenfassung
und Ausblick
Die Begriffsverwirrung um "Funktion", "Nutzen", "DNA-Junk" und
"DNA-Müll" ist verantwortlich dafür, dass die
Diskussion um die Funktion genomischer Elemente immer wieder aus dem
Ruder läuft, selbst unter Fachleuten. Betrachtet man
die Elemente unter funktionalen Aspekten, so findet man:
• die "open reading frames" in Exonen: Das sind Bereiche, die
für Proteine kodieren - sie tragen sequenzabhängige
Information, die im genetischen Code abgelegt ist.
• Transkribierte Elemente, die zwar für keine
Proteine kodieren, aber (se-quenzabhängig) funktional sind:
Sie üben regulatorische oder anderweitige Funktion aus.
Hierunter fallen einige Pseudogene, tRNA- und rRNA-Gene, viele kleine
RNAs usw.
• Nicht-transkribierte Elemente, die sequenzabhängig
strukturelle oder regulatorische Funktion tragen. Hierunter fallen
regulatorische Bereiche wie Promotoren, Terminatoren, Enhancer,
Silencer, Centromer- und Telomerbereiche usw.
• Nicht-transkribierte Elemente, die
sequenzunabhängige, strukturelle (selten auch regulatorische)
Funktion tragen. Dies wären dann Introne, die differenziell
gespleißt werden oder Spacer, chromosomale "Abstandhalter",
die aus strukturellen Gründen in der richtigen Länge
an der richtigen Stelle sitzen müssen. Wenn wir Junk-DNA als
"DNA mit keinerlei Sequenz-abhängiger Funktion" definieren, so
ist dies Junk-DNA, aber mitnichten funktionslos.
All diese Elemente haben gemein, dass sie einem positiven
Selektionsdruck unterliegen, eine Deletion oder eine signifikante
Änderung durch Mutationen ist für den Organismus
nachteilig.
• Dann gibt es DNA-Bereiche, die ohne jede Folge frei mutieren
oder dele-tiert werden können. Das wäre Junk-DNA und
darüber hinaus funktionsloser Junk, also DNA-Müll im
engeren Sinne. Das bedeutet aber nicht, dass diese Bereiche keinerlei
Aktivität zeigen: Sie können sehr wohl zu nutzloser
RNA transkribiert werden. Und damit können sie in der
späteren phylogenetischen Historie eine Funktion annehmen.
• Und letztlich: Selbst Elemente, die als solche definitiv
funktionslos sind, können in der Evolution eine wichtige Rolle
gespielt haben, z.B. indem sie - wie die ALU-Repeats in der
menschlichen Evolution - durch ihr Springen
Promotor-Aktivitäten verändert haben. Womit sich der
Kreis zum Anfang des Beitrags schließt: Freunde oder Feinde?
Nutzlos oder wichtig? ...
Nach Abwägung aller Fakten lässt sich also
festhalten: Die Evolutionstheorie kann die Herkunft sowie die
Persistenz von Junk-DNA im Genom mechanis-misch gut erklären;
deren Existenz ist im Rahmen der "Neutralen Theorie" vorhergesagt
worden. Dagegen liefert "Intelligent Design" keinen Beitrag zur
wissenschaftlichen Diskussion, geschweige denn konkrete Vorhersagen
über Existenz, Herkunft und Ausmaß der Junk-DNA.
Quelle
https://www.ag-evolutionsbiologie.net/pdf/2014/Junk-DNA-Evolution-oder-Design-Signal.pdf
Autoren:
Andreas Beyer / Martin Neukamm
© AG
Evolutionsbiologie des VdBiol.
20.02.2014
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