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Bericht
Die Wissenschaftskritik des Dipl.-Ing. Hans Joachim
Zillmer
Evolutionskritiker
benutzt falsche akademische Titel
Zur Person
Hans-Joachim ZILLMER, geb. 1950 in Mölln, studierte in
Wuppertal und Berlin Bauingenieurwesen; sein Abschuss ist der eines
Diplomingenieurs. 1977 gründete und führte er ein
Hochbau-Unternehmen, ein Ingenieurbüro für Bauwesen
und eine Bauträger-Firma (Solingen, auch in Berlin). Seit Ende
der 1990er tritt ZILLMER mit wissenschaftskritischen Publikationen in
Erscheinung, in denen er die Stimmigkeit gängiger und bestens
belegter Theorien in verschiedenen Wissenschaftsbereichen rundum
abstreitet: Er schrieb die Bücher "Darwins Irrtum" (1998),
"Irrtümer der Erdgeschichte" (2001), "Dinosaurier Handbuch"
(2003), "Kolumbus kam als Letzter" (2004), "Die
Evolutionslüge. Die Neandertaler und andere
Fälschungen der Menschheitsgeschichte" (2005). All diese
Bücher sind bei Langen Müller, München
erschienen. Außerdem produzierte er im Eigenverlag das
DVD-Video "Kontra Evolution Dinosaurier und Menschen lebten gemeinsam:
Die Urzeit war gestern.
Die Titel
ZILLMER schmückt sich mit diversen, akademischen und
akademisch klingenden Graden und Auszeichnungen, die seine
Seriosität untermauern sollen; recherchiert man allerdings
etwas genauer, so stößt man auf ganz erstaunliche
Fakten:
- ZILLMER sei
ehrenamtlicher Dozent
der
Giordani-Bruno-Gesellschaft e.V. (nicht zu verwechseln mit der
atheistisch-religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung!).
Betrachtet
man die Internetseite der besagten Vereinigung, so findet man ZILLMER
in einer ganzen Liste von esoterischem Allerlei wieder: "Die Gilde der
kosmischen Former", Archaeologiekritiker, Grenzwissenschaften, Erich v.
DÄNIKEN, "Urmatrix", "Elysiumprojekt" - kurz: esoterische
Ideengebäude, die mit seriöser Wissenschaft nichts zu
tun haben.
- ZILLMER sei Mitglied der "New York
Academy of
Sciences" - eine Akademie, die früher einmal prominente
Mitglieder hatte, wie z.B. Albert Einstein. Was ZILLMER allerdings
verschweigt: Die Mitgliedschaft entsteht heutzutage nicht durch Wahl
oder Ernennung, sondern ganz einfach durch Bezahlung einer
Jahresgebühr. Eine Auswahl der Mitglieder nach
wissenschaftlichen Qualitätskriterien findet nicht
statt.
- ZILLMER sei Mitglied der "American
Association
for
the Advancement of
Science" (AAAS), eine Gesellschaft, die den wissenschaftlichen Dialog
und die wissenschaftliche Kooperation durch
regelmäßige Treffen fördern will. Auch hier
verschweigt ZILLMER, dass (im Gegensatz z.B. zur "National Academy of
Sciences") die AAAS durch Entrichtung einer Mitgliedsgebühr
jedermann offen steht, es also keinerlei wissenschaftlicher Leistung
bedarf, um eine Mitgliedschaft zu erweben.
- ZILLMER sei im Jahr 2002 beim
"International
Biographical Centre of
Cambridge", England nominiert worden als "International Scientist of
the Year" (Internationaler Wissenschaftler des Jahres 2002).
Recherchiert man "International Biographical Centre of Cambridge", so
stellt man sehr schnell fest, dass diese Gesellschaft akademisch
klingende Titel kommerziell verkauft. Die Auswahlkriterien sind mehr
als dubios; käuflich sind mehr als 60 Titel, zu Preisen
zwischen $ 100,- und $ 1.000,-.
- ZILLMER habe im Dez.2007 zwei
Ehrendoktorgrade
der
"Yorker
International University" (New York) erhalten. Schaut man in Listen
akkreditierter Hochschulen [1] nach, so stellt sich heraus, dass es
sich bei dieser "Universität" um eine "Diploma Mill", also
eine "Titelmühle" handelt, bei der man akademische Titel ohne
oder mit nicht nennenswerter wissenschaftlicher Leistung gegen
Gebühr erwerben kann. Besucht man die Seite dieser
"Universität", so wird man auf der FAQ-Seite [2] feststellen,
dass die Erlangung eines Doktorgrades kaum mehr als eine reine
"Verwaltungsangelegenheit" ist, die den zukünftigen "Doktor" $
594,- plus diverse weitere "Gebühren" kostet, wie es
für Titelmühlen typisch ist.
- ZILLMER habe, so die Angaben in seinem
Lebenslauf
auf seiner Homepage
bis Ende 2009, über eine Promotion den Titel Dr. Ing.
erworben. Bemerkenswerterweise gab er nicht an, wann und wo dies
gewesen sein soll. In Nationalbibliotheken werden sämtliche
Promotionen gesammelt und archiviert - keine einzige führt
diese Arbeit. Promotionen werden in Deutschland zwischen den
großen Uni-Bibliotheken ausgetauscht, aber eine Recherche in
vier großen Universitäten (Bibliotheken der Ruhr Uni
Bochum, Bergischen Uni Wuppertal, TU Berlin, weltweiter (!) Katalog der
Uni Karlsruhe http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html)
ergab, dass
diese Arbeit dort ebenfalls nicht bekannt ist.
2009 ermittelte die
Staatsanwaltschaft Wuppertal gegen ZILLMER. Im Rahmen der Ermittlungen
gab er an, er habe an der "Schweizerischen Universität
Zürich" ("Universitas Helvetiensis Sedis Urbis Turicensis")
promoviert. Diese Universität gibt es allerdings nicht, es
handelte sich auch hier um eine (mittlerweile verschwundene) "Diploma
Mill" ("Titelmühle"), deren Betreiber ein gewisser Carl X.
BLEISCH war, der einschlägig bekannt ist [3]. Nachdem ZILLMER,
um einen Prozess zu verhindern, über seinen Anwalt
erklären ließ, dass er ab sofort auf die
Führung eines Doktor-Titels verzichten würde, stellte
die Staatsanwaltschaft Anfang 2010 das Verfahren ein. Seitdem sind
praktisch alle Nennungen des Doktortitels von Hans-Joachim ZILLMER aus
dem Internet verschwunden.
Diese Liste bedarf keines weiteren Kommentars mehr; und schon an dieser
Stelle wird klar, was für Rückschlüsse man
aus einem derart dubiosen und obskuren Nimbus zu ziehen hat.
Die
wissenschaftliche Expertise
Natürlich ist die Richtigkeit eines Arguments nicht
abhängig von der Person, welche es vorbringt: Ob ein
Mathematiker oder ein Schreiner den Satz des Pythagoras zitiert, ist
unerheblich: Hauptsache, er ist korrekt zitiert. Und in der Tat haben
sich viele Menschen ein ganz beachtliches Wissen in Bereichen
angeeignet, die nicht ihrer Profession entsprechen.
Wenn allerdings jemand behauptet, die Quanten- und
Relativitätstheorie sei falsch, die Evolutionstheorie sei
erlogen, unser Geschichtsbild sei völlig falsch oder
dergleichen, dann sollte man genauer hinschauen und vorab ein paar
Frage zu klären:
- Verfügt der Kritiker
über
ausgewiesene Fachkenntnisse? Hat er eine wie auch immer geartete
Qualifikation?
- Arbeitet der Kritiker wissenschaftlich auf dem
betreffenden Gebiet? Hat er also ein Labor oder betreibt er
Feldforschung, hat er selber Experimente angestellt, Versuche gemacht,
Modelle getestet? Oder klaubt er nur aus Sekundärliteratur -
Internet, Bücher - heraus, was ihm in den Kram passt?
- Hat er Fachpublikationen vorzuweisen? Dazu muss
man
wissen, dass wissenschaftliches Arbeiten bedeutet, dass man die
Ergebnisse der eigenen Forschung bei internationalen Fachjournalen
einreicht; dort werden sie einer fachlichen
Qualitätsprüfung unterzogen und dann publiziert.
Dieses Verfahren zwingt die Wissenschaftler, ihre Daten offen zu legen
und einer kritischen Überprüfung auszusetzen.
Wie sieht es nun diesbezüglich bei ZILLMER aus? Nun, er ist
Bauingenieur. Ein Studium
oder eine wie auch immer geartete Bildung oder Ausbildung in
naturwissenschaftlichen Fächern (sei es Chemie, Physik,
Geologie oder Biologie) oder in der Wissenschaftsphilosophie hat er
nicht, auch hat er
keine einzige wissenschaftliche Publikation in entsprechenden
Fachjournalen vorzuweisen. ZILLMERs Schriften und DVDs hingegen
erschienen in nicht-wissenschaftlichen Verlagen oder er gibt sie selbst
heraus; Fachveröffentlichungen hat er keine einzige.
Vor diesem Hintergrund ist es mehr als erstaunlich, in welchen
Fächern er sich kompetent fühlt: Plattentektonik,
Paläontologie, Steinzeit, unser Sonnensystem, Evolution,
(Vor-)Geschichte, Archäologie, Klima / Erderwärmung -
und überall meint er, der Fachwelt beweisen zu
können, dass doch alles ganz anders war, als es in den
Lehrbüchern steht: Kohlendioxid sei nicht
Klima-schädlich, Evolution funktioniere nicht, die von den
Paläontologen beschriebene Eiszeit habe es nicht gegeben,
Dinosaurier lebten noch bis vor wenigen Tausend Jahren - ja sogar bis
vor wenigen Jahrzehnten (so erfährt man seiner DVD "Kontra
Evolution"). Die Inka wären Wikinger gewesen, die ganze
geologische Zeitskala sei falsch, die Theorie der Plattentektonik
ebenso, denn in Wahrheit dehne sich die Erde aus usw. Die Liste seiner
abwegiger Ideen ließe sich endlos verlängern:
ZILLMER vertritt ein "junge-Erde-Katastrophen-Modell", eine
"Geokondensator-Theorie", eine "Naturbeton-Theorie", eine
"Kelten-in-Amerika-Theorie", eine "Superfluten-Theorie", eine
"Arktis-Neanderthaler-Theorie", eine "Schneezeit-Theorie", eine
"Grönlandbrücken-Theorie", eine
"Drainageschalen-Theorie" [4]. Allesamt wohlklingend, aber ohne
jegliches wissenschaftliches Fundament, denn wissenschaftliche
Publikationen über diese Themen - ob nun von ZILLMER oder von
anderen Autoren - in einschlägigen Wissenschaftsjournalen
sucht man vergeblich. Der Grund dafür ist simpel: Diese Ideen
sind sachlich unhaltbar und nur zu vertreten, wenn man den aktuellen
Stand der Forschung nicht kennt oder schlicht ignoriert.
Also wähnt sich ZILLMER in einem halben Dutzend reichlich
unterschiedlichen Fachgebieten nicht nur als Experte, er glaubt sogar,
der gesamten Fachwelt beweisen zu können, dass alle anderen
irren. Nun, bei Bauchschmerzen hilft kein Augenarzt, und wenn der Hahn
tropft, wird der Elektriker nicht kompetent sein. Wie ist es
möglich, dass sich ein Mensch derart
überschätzt? Und angesichts der offensichtlich ganz
gezielten Vortäuschung akademische Exzellenz: was für
eine Absicht mag hinter ZILLMERs Handeln stecken? Eines ist jedenfalls
evident: bereits die hier abgehandelten Vorrecherchen machen klar, dass
ZILLMERs Ideengebäude alles andere als seriös sind.
Zillmers
öffentliche Aktivitäten
Am 11. April 2004 hat ZiIlmer die Eröffnungsrede zur
Dinosaurierausstellung "DinoVersum" im Kölner Zoo gehalten.
Ich habe den damaligen Direktor Dr. Günther Nogge befragt, wie
es möglich war, dass eine derart fragwürdige Person
wie ZILLMER die Gelegenheit zu einem Vortrag erhielt. Die Antwort war
interessant und aufschlussreich: Zunächst verstand Herr Nogge
das Problem gar nicht; denn ZILLMER war ihm von einem Verlag sehr
nachdrücklich empfohlen worden und Nogge wusste zu berichten
(Zitat), "dass ZILLMER seine Sache recht gut gemacht" habe. Daraufhin
wies ich ihn auf den Inhalt von ZILLMERs Homepage hin und auf die
vielen abstrusen Thesen, die er vertritt. Herr Nogge war vollkommen
überrascht von den dort vertretenen Absurditäten und
meine, er wäre froh, "dass dies damals niemand gemerkt hat",
denn "ZILLMER hat sich seinerzeit mit derartigen Thesen zurück
gehalten". Wie ist dies zu interpretieren? Sollte sich ZILLMER am Ende
selbst darüber im Klaren sein, dass er höchst
Unsinniges vertritt? Hielt er sich möglicherweise im
Kölner Zoo mit seinen Spekulationen zurück, um keinen
Eklat zu provozieren, damit er besagten Vortrag zum Aufpolieren seines
Images verbuchen kann?
Am 11. Oktober 2006 habe, so ZILLMER, im Europäischen
Parlament ein Hearing über "Teaching Evolution Theory in
European Schools" statt gefunden, einer von drei "geladenen Experten"
sei er selbst gewesen. Eine Recherche beim Europaparlament hat ergeben,
dass es ein solches offizielles Hearing des Europaparlaments nicht
gegeben hat (!) [5].
Dieses angebliche Expertenhearing war in Wahrheit eine
Privatveranstaltung von Dr. Maciej GIERTYCH, polnischer Abgeordneter im
Parlament. GIERTYCH ist Forstwissenschaftler (Prof. der
Landwirtschaftlichen Akademie Posen), evolutionsbiologische Expertise
und Publikationen kann er nicht vorweisen. Er ist stellvertretender
Vorsitzender der rechtsradikalen "Liga der Polnischen Familien"; einer
Partei, die neben ihren nationalistischen Zielen auch offen
für das Lehren des Kreationismus in Schulen eintritt und die
Evolution als "Lüge" verteufelt, die "wir als allgemeine
Wahrheit legalisiert haben" [6]. Ferner hat er sich durch
antisemitische Schriften und Hetzkampagnen gegen Homosexuelle einen
schlechten Ruf erworben. Kanzlerin Angela MERKEL hat er mit Adolf
HITLER verglichen [7]. GIERTYCH hat nun versucht, das
Europäische Parlament als evolutionskritisches Forum zu
missbrauchen und daher besagte Veranstaltung organisiert - de facto als
Privatveranstaltung in einem Raum des Parlaments. Übrigens
habe ich bei Herrn GIERTYCH selbst angefragt, ob es nicht einen
offiziellen Bericht des Parlaments gäbe, und auch er selbst
konnte (in seiner Antwort per Mail am 13.11.2008) lediglich auf seine
eigenen Auslassungen auf seiner privaten Homepage verweisen.
Nun kann man für absurde und sachlich unhaltbare Positionen,
wie es eine kreationistische, esoterische oder UFOlogische
Evolutionskritik nun mal ist, keine ernst zu nehmenden Argumente
anführen - das liegt in der Natur der Sache. Also wird man
logischerweise auch keine Expertenvoten zur Stützung solche
Ideen bekommen. Daher musste GIERTYCH auf sehr fragwürdige
Personen zurückgreifen; neben ZILLMER kamen der Franzose Guy
Berthault (ebenfalls ein Ingenieur) und der US-Amerikaner Joseph
MASTROPAOLO (ein Physiologe). Beide verfügen über
keinerlei Expertise und eigene Fachpublikationen in den Bereichen
Evolutionsbiologie und Geologie (insbesondere Berthaults Thesen sind
ebenso absurd wie ZILLMERs, er selber ist ebenso fachfremd wie jener
[8]). Um es nochmals zu betonen: Die Stichhaltigkeit eines Arguments
hängt nicht von dem ab, der es vertritt. Der Punkt ist - wie
bereits weiter oben erläutert - ein anderer: Es ist mehr als
suspekt, wenn ein fachfremder Kritiker, der über keinerlei
Expertise im betreffenden Gebiet verfügt, der selber in diesem
Gebiet weder forscht noch wissenschaftlich publiziert, wenn solch ein
Kritiker glaubt, der gesamtem Branche ihre "eklatanten Fehler"
nachweisen zu können.
Persönliche
Erfahrungen mit Zillmer
Am 19.11.2008 habe ich einen Vortrag von ZILLMER in der VHS Ratingen
besucht. Ich hatte im Vorfeld den Veranstalter gebeten, dass er mir am
Ende Gelegenheit zu einer Gegendarstellung gibt. Nachdem ZILLMER
1½ Stunden lang in seinem Vortrag kreuz und quer durch
Evolution, Klimatologie, Geologie und Historie sprang, versuchte ich am
Ende, nach Einladung des Veranstalters, ein paar Dinge zurecht zu
rücken. Zugegen waren außer mir noch fünf
Gäste, drei davon waren ZILLMER-Anhänger, er hatte
sie selber mitgebracht. Einer dieser Fans hat mich dann bereits nach
den ersten Sätzen niedergeschrieen und damit eine Entgegnung
torpediert; auch der Veranstalter konnte ihn nicht bremsen. ZILLMER
selbst wollte sich meiner Kritik nicht stellen, er hat kommentarlos
eingepackt. Daraus ist klar ersichtlich: ZILLMER nimmt sich das Recht,
ohne jede Sachkenntnis Kritik an der Wissenschaft zu üben;
will man ihm jedoch aufzeigen, wo er mit unlauteren Mitteln arbeitet,
so entzieht er sich der Kritik.
So viel zum Thema "wissenschaftliche Diskussionskultur".
Schauen wir uns nun ZILLMERs Veröffentlichungen an - und
betrachten stellvertretend einen seiner Filme etwas genauer.
Zillmers
Filme und Bücher
Wie schon begründet, unterliegt die Wissenschaft bestimmten
Regeln, um qualitative Anforderungen umzusetzen: Die Arbeit und die
Daten sollen transparent sein, Betrug und Schlamperei soll so weit es
überhaupt möglich ist, erschwert werden. Wer jemals
eine nach diesen Regeln verfasste wissenschaftliche Publikation oder
ein Fach-Lehrbuch in Händen hielt, der weiß, dass
ZILLMERs Produkte allein in Stil und Präsentation keinem
wissenschaftlichen Qualitätskriterium genügen.
ZILLMER verwendet recht großzügig solch polemische
Begriffe wie "Lüge", "Betrug", "Eiszeit Märchenzeit",
"geplatzte Seifenblasen", "[von der Wissenschaft] frei erfundene
[falsche Tatsachen]" - die Liste könnte noch
verlängert werden. Derartige Wertungen und Polemiken kommen in
wissenschaftlicher Fach- und Sachliteratur nicht vor. Auch die
reißerische Art, wie in seinem Video Effekte erzielt werden -
z.B. schnelles auf- und abblenden von Schriftzügen,
phantasievolle Musterwechsel auf Bildschirmen, während er
redet - ist eine Vorgehensweise, die in seriösen
Beiträgen nichts verloren hat.
Es ist weder möglich noch nötig, alle von ZILLMER
vorgebrachten Argumente zu analysieren, daher sei hier als Beispiel
lediglich auf die Rezension
seines Videos "kontra Evolution" verwiesen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen:
- Die einschlägige
Fachliteratur bleibt
praktisch unberücksichtigt. Wer jedoch derart
Revolutionäres behauptet wie ZILLMER, muss diese in- und
auswendig kennen. Sich dieses Wissen anzueignen, ist natürlich
ziemlich mühsam, aber im Rahmen einer sauberen und fundierten
Argumentation unerlässlich. ZILLMER ist allerdings in vielen
Bereichen über die grundlegendsten Zusammenhänge
entweder nicht informiert, oder er ignoriert sie schlichtweg.
- ZILLMER präsentiert die
Mehrzahl seiner
Behauptungen in einer Art und Weise, die nicht intersubjektiv
nachprüfbar ist: Die Funde sind nicht greifbar,
wissenschaftliche Veröffentlichungen darüber
existieren nicht, Literaturangaben sind unvollständig oder
fehlen.
- ZILLMER dreht sich unbeeindruckt von der
Faktenlage
alle Befunde so zurecht, wie sie ihm gerade in den Kram passen; das
gilt vor allem für die Interpretation von Fossilien und
Artefakten.
- ZILLMER glaubt kompetent zu sein, auf
einem
Dutzend
von Fachgebieten die etablierte Wissenschaft widerlegen zu
können. Dabei ist er allerdings nicht in der Lage,
Alternativen aufzuzeigen. Wenn Evolution nicht funktioniert, wie sind
die Lebewesen denn sonst entstanden? Durch göttliche
Schöpfung, wie die Kreationisten meinen? Sind sie
außerirdischen Ursprungs, wie UFOlogen es glauben? Immer
schon da gewesen, wie Fred Hoyle sagte? Wo sind die Daten und Belege?
Wenn die Geologie ganz anders war als die Geowissenschaft sagt, woher
kommen z.B. die geologischen Triebkräfte, die in der Lage sein
sollen, ganze Gebirge in allerkürzester Zeit kilometerweit in
die Höhe zu heben? Bemerkenswerterweise schweigt sich ZILLMER
aus, wo er eigentlich Farbe bekennen müsste; mehr als ein paar
vage Andeutungen präsentiert er nicht.
- Versucht man, dem Gedankengang des Films zu
folgen,
so stellt man fest, dass ZILLMER kreuz und quer zwischen Geologie,
Biologie, Historie, Klimatologie und Paläontologie hin und her
springt und sich dabei bei keinem Thema mehr als wenige Minuten
aufhält (
die
Filmbesprechung). Unnötig zu sagen,
dass auch dies kein seriöses Vorgehen ist.
Alles in allem sind in ZILLMERs Filmen und Büchern schwerste
inhaltliche und formale Mängel zu konstatieren. Dabei geht es
nicht um eine moralische Beurteilung ZILLMERs. Ob er gezielt und
bewusst Falschbehauptungen aufstellt, ob er schlicht inkompetent ist,
ob es ihm nur um den Verkauf seiner Bücher und Filme geht, ob
er von seinen Ideen selber überzeugt ist - all dies steht
nicht zur Debatte. Interessanter und sicherlich auch wichtiger ist die
Frage, wieso er mit seinen Filmen und Büchern eine derart
breite Wirkung erzielt. Was macht ihn für viele Mitmenschen so
faszinierend und überzeugend? Vermutlich werden hier
verschiedene Punkte zusammen kommen:
1.) Die Allgemeinheit kennt die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens
nicht: Niemand, der nicht selbst direkte oder indirekte Erfahrungen mir
wissenschaftlichem Arbeiten gemacht hat, kann auch nur im Entferntesten
ermessen, was seriöse wissenschaftliche Expertise ist, was
für Kriterien bei der Forschung anzuwenden sind, welchen
Bedingungen Wissenschaft genügen muss. Daher
überrascht es nicht, dass ZILLMER von vielen Menschen
für einen seriösen Experten gehalten wird - und
schließlich hat er sich mit all seinen unredlich erworbenen
Titeln viel Mühe gegeben, Seriosität und
Wissenschaftlichkeit vorzugaukeln.
2.) Unsere Erklärungen der Welt sind derart kompliziert
geworden, dass unser heutiges Wissen von einem einzelnen Menschen nicht
einmal ansatzweise überblickt werden kann, auch nicht von den
gebildetsten. Daher wird kein Laie ermessen können, was
für einen Unsinn ZILLMER von sich gibt; insbesondere und auch
angesichts der Tatsache, dass es nur sehr schwer möglich ist,
seine Behauptungen zu recherchieren, weil er keine nachvollziehbaren
Quellenangaben macht.
3.) Gerade aufgrund der erwähnten Diversifizierung, um nicht
zu sagen Zersplitterung unserer Kultur und unseres Wissens fehlt vielen
Menschen die Orientierung. Warum wissen wir immer mehr, warum schreitet
die Forschung immer weiter voran, aber Krebs und AIDS sind immer noch
nicht besiegt, und die Umwelt gerät immer mehr aus den Fugen?
Demagogen, Verschwörungstheoretiker und Wissenschaftskritiker
wie ZILLMER bieten hier eine einfache und gut verständliche
Lösung an: "Die Wissenschaft betrügt, in Wahrheit ist
alles ganz anders, und die Hauptbeschäftigung der
eingeschworenen Forscher-Clique besteht darin, zu verschleiern und zu
vertuschen!" Diese Botschaft ist zwar grotesk; wenn sie aber so
geschickt verpackt wird, wie ZILLMER es tut, fällt sie allzu
oft auf fruchtbaren Boden.
4.) Wegen der notwendigerweise extremen Spezialisierung innerhalb der
Forschung fühlen sich viele Menschen hilflos, wenn sie sich in
der Wissenschaft zurecht finden sollen. Kaum jemand kann alle heute
gültigen Theorien verstehen, geschweige denn beurteilen. Mit
ZILLMERs Botschaft sieht die Sache jedoch anders aus: Dem Laien wird
vorgegaukelt, es gäbe ja auch gar nichts zu verstehen, weil
sowieso alles gefälscht und gelogen sei. ZILLMER lädt
den "Otto-Normalverbraucher" dazu ein, sich dem Wissenschaftler, dem er
sich vorher geistig und intellektuell ausgeliefert sah, nun
ebenbürtig (ja, sogar überlegen) zu fühlen.
Fazit: Es sind die Gutgläubigkeit und die Ängste
vieler Mitmenschen, die dazu führen, dass derartige
Haltlosigkeiten Gehör finden - und leider zu weiterer
Verunsicherung beitragen.
Anmerkungen
und Literatur
[1] anabin = Informationssystem zur Anerkennung ausländischer
Bildungsabschlüsse http://87.106.9.54/,
gateway to recogntion of academic and professional qualifications http://www.enic-naric.net/
sowie
die offizielle Informations- und Suchseite des US-Bildungsministeriums
für akkreditierte Bildungseinrichtungen
http://ope.ed.gov/accreditation/Search.asp)
- auf allen drei Seiten kann man feststellen, dass die "Yorker
International University" eine nicht anerkannte Institution ist.
die Positivliste des Staates Oregon (http://www.osac.state.or.us/oda/unaccredited.aspx)
und
die Division of Personnel / Government & Public Administration
US
Virgin Islands
http://www.dopusvi.org/docs/Listing%20of%20unaccredited%20schools%20and%20diploma%20mills.pdf
(eine Personalagentur der Öffentlichen Verwaltung)
listen die Yorker International University auf als nicht anerkannte
Einrichtung bzw. als sog. "Diploma Mill" (= "Titelmühle", bei
der
man akademische Titel kaufen kann).
[2] http://www.nyuniversity.net/
bzw. http://www.nyuniversity.net/index.php?method=section&action=zoom&id=26
[3] Folgende 3 Publikationen benennen Carl X. BLEISCH als
unrechtschaffenen Betreiber von "Titelmühlen", der gegen Geld
akademische Titel verkauft:
1.) Dr. Lyndon Jones (1985): "Diploma Mills - Part 1: Origin and
growth"
Education + Training 27(2): 58-61 ISSN: 0040-0912 / DOI:
10.1108/eb017105
Publisher: MCB UP Ltd
Der Carl BLEISCH betreffende Abschnitt lautet:
Abschnitt One Swiss diploma mill operator, Carl BLEISCH, applied to
Oxford University's Mansfield College to run a two-day study course for
22 students from Oxford College of Applied Science. Mansfield College
agreed, although whether they would if they had known that Oxford
College of Applied Science was registered as an employment agency is
another matter. Following the course BLEISCH then asked the College
bursar for a letter which his "students" could produce as evidence of
attendance. He then went to an Oxford notary public who attested that
the letter bore the seal of Oxford College of Applied Science and that
the course had been held "under the auspices of Mansfield College".
Finally BLEISCH got a letter from the Foreign Office confirming the
Notary Public's signature. BLEISCH returned to Zurich and produced an
impressive brochure bearing the Mansfield College coat of arms, and
declared that the documents from the notary public and Foreign Office
entitled him to issue degrees without study or examinations.
Advertisements were placed by him in the International Herald Tribune
and other papers, and hundreds of degrees were sold at £600
for a
Bachelor of Arts, £1000 for a Masters, and £2000
for a
Doctorate.
[Übersetzung von A. Beyer: Ein Schweizer
Titelelmühlen-Betreiber, Carl BLEISCH, wendete sich an das
Mansfield College der Universität Oxford, um einen
2-Tages-Studienkurs für 22 Studenten vom Oxforder College of
Applied Science abhalten zu dürfen. Mansfield College war
einverstanden; ob sie jedoch zugestimmt hätten, wenn sie
gewusst
hätten, dass "Oxford College of Applied Science" eingetragen
und
registriert war als Arbeitsvermittlungsagentur, das ist eine andere
Frage. Nach dem Kursus bat BLEISCH den Kämmerer des College um
eine Bescheinigung, die seinen "Studenten" zur Vorlage als
Teilnahmebeleg diene sollte. Dann ging er zu einem Oxforder Notar, der
beglaubigte, dass besagte Bescheinigung das Siegel des Oxford College
of Applied Science trägt und das der Kurs "unter
Federführung
und Schirmherrschaft des Mansfield College" abgehalten wurde.
Schließlich erhielt BLEISCH einen Brief vom
Außenministerium, der die Unterschrift des Notars
beglaubigte. BLEISCH kehrte nach Zurich zurück und brachte
eine eindrucksvolle
Broschüre, die das Wappen des Mansfield College trug, heraus
und
erklärte in dieser Schrift, dass die Dokumente des Notars und
des
Außenministeriums ihn berechtigten, (akademische) Grade zu
verleihen, und zwar ohne Studienleitungen oder Prüfungen. Er
schaltete Werbeanzeigen im International Herald Tribune und anderen
Zeitungen, und Hundrete von Titeln wurden verkauft - für
£600 für einen Bachelor of Arts, £1000
für einen
Master und £2000 für einen Doktortitel.]
2.) Horst BIALLO (1995): "Die Doktormacher: Namen und Adressen, Preise
und Verträge, Behörden und Betrogene, Gesetze und
Strafen"
Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verl. (Schriftenreihe: Fischer;
13025: Wirtschaft)
ISBN-10: 3596130255; ISBN-13: 978-3596130252
Hier ist ein ganzes Kapitel Herrn BLEISCH gewidmet (S. 92 - 103 des
genannten Buchs):
"Prof. Dr. Carl Xaver BLEISCH = de Leon, Zürich Zeitweise
entmündigter Herr vieler Unis"
3.) Dr. John B. BEAR, M.A. Mariah P. BEAR (2003)
"Bears' Guide to Earning Degrees by Distance Learning"
Ten Speed Press, Berkeley 15. Auflage ISBN 1580084311, 9781580084314
S. 277 benennt einige "Institutionen" im Zusammenhang mit Herrn
BLEISCH, u.a. seine Züricher "Universität", als
Titelmühlen, bei denen man sich akademische Grade kaufen kann.
Online einsehbar unter:
http://books.google.de/books?id=k67XC_7y5xEC&pg=PA277&lpg=PA277&dq=%22diploma+mill...
[4] http://zillmer.com/theorien.htm
[5] Eine Nachfrage beim Europaparlament, Berliner Büro
(EPberlin@europarl.europa.eu) wurde am 10.11.2008 von Fr.
SCHLÜTER
beantwortet: ein solches offizielles Hearing der Europaparlaments hat
es nicht gegeben, die öffentlichen Hearings des
Europaparlaments,
so die Auskunft, sind aufgelistet unter
http://www.europarl.europa.eu/hearings/2006_de.htm,
dort ist es nicht
aufgeführt.
[6] KJAERGAARD PC (2008): Western Front, New Humanist 123(3); http://newhumanist.org.uk/1783
[7] s. http://de.wikipedia.org/wiki/Maciej_GIERTYCH
[8] siehe z.B. http://www.evolutionpages.com/berthault_critique.htm,
http://www.bibleandscience.com/otherviews/berthault.htm.
Weitere
Links und Literatur
Diplom-Mineraloge Gunnar RIES über ZILLMER: http://webspace.webring.com/people/fg/gunnar_ries/contra-ZILLMER2.html
Rezension: Besprechung von ZILLMERs "Irrtümer der
Erdgeschichte":
http://webspace.webring.com/people/fg/gunnar_ries/ZILLMER.html
Rezension zu ZILLMERs Evolutionskritik: SCHWEIGERT G (2005): Die
Evolution - ein Lügengebäude? GMit
(Geowissenschaftliche
Mitteilungen) 22: 106-107.
Rezension: Besprechung von ZILLMERs historischen Ideen http://www.buchkritik.at/kritik.asp?IDX=2972
Heinz Baslers Webseite zu ZILLMER: "Darwin, ein Hammer und die Sintflut
- ist Darwin widerlegt? Neuartige revolutionäre Erkenntnisse?"
http://hohewarte.de/MuM/Jahr2002/Darwin0216.html
Webseite zu ZILLMER: http://www.esowatch.com/index.php?title=Hans-Joachim_ZILLMER
Wissenschaft und Pseudowissenschaft: http://www.uwgb.edu/dutchs/pscindx.htm
Analyse der Chronologiekritik
http://de.wikipedia.org/wiki/Chronologiekritik
und
http://de.wikibooks.org/wiki/Kritik_der_Chronologiekritik
Eine recht interessante Sammlung von Facts Links zum Thema
Pseudowissenschaften - darunter auch einiges über ZILLMER -
bietet
Klaus RICHTER: http://www.klaus-richter.eu/privat/
sowie
http://de.geocities.com/kw.richter/home.html
Autor:
Andreas Beyer
© AG
Evolutionsbiologie des VdBiol.
05.04.2010
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