Buchbesprechung

vom Stein, Alexander (2005) Creatio. Biblische Schöpfungslehre

Lychen, Daniel-Verlag. Preis: 19,90 €1)


Creatio

Eine insgesamt sehr gemäßigte Rezension findet man bei Thomas Waschke. Der Autor dieser Besprechung geht mehr auf die biologischen Aussagen ein, die geprägt sind von einem fundamentalistischen Kurzzeitkreationismus: Die Erde sei nur wenige tausend Jahre alt, in sechs 24-stündigen Tagen geschaffen, der Tod erst mit dem Sündenfall des Menschen auf die Erde gekommen, und was dergleichen Unsinn mehr ist - bis hin zur Größe und dem ausreichenden Platz für die geschaffenen Grundtypen auf Noahs Arche.

Als Botaniker schaut man natürlich auf die (spärlichen) Bemerkungen zu Pflanzen. Dabei kann man eigentlich nur den Kopf ob der krausen Ungereimtheiten schütteln, die aus einem wortwörtlichen Verständnis der Bibel abgeleitet werden: Unter anderem steht dort, dass in der ursprünglichen Schöpfung "Pflanzen als Nahrung für Mensch und Tier geschaffen" wurden, die erst nach dem Sündenfall "sich zur Wehr (Dornen, Gift) setzen". Erst dann - hört, hört - entwickelten sich "fleischfressende Pflanzen" (der Tod, und damit alle Karnivoren, kam ja erst durch den Sündenfall des Menschen auf die Erde!). Und der Tod der Pflanzen und ihrer Samen und Früchte im Magen der Tiere? Aber - don't worry - die waren ja nach 1.Mose 1.29 "gegeben zu eurer Speise".

Ein besonderes Ärgernis sind die gesellschaftlichen und ethischen Implikationen, die mit einer unglaublichen Unverfrorenheit formuliert werden. An zwei Beispielen soll das vorgeführt werden. So findet sich auf S. 59 eine Abbildung mit folgende Bildunterschrift:

"Bei den Nachkommen Kains ist schon deutlich die Missachtung der Schöpfungsordnung Gottes erkennbar. Lamech nahm sich zwei Frauen und setzte sich damit über die von Gott gegebene Form der Ehe (ein Mann und eine Frau) hinweg. Heute erkennen wir, dass diese Ordnung völlig aufgelöst wird. Jeder ist frei, einen individuellen 'Lebensentwurf' zu wählen, wie es ihm gefällt. Die Folgen bleiben nicht aus."

Diese nicht gottgewollten, die Schöpfungsordnung verletzenden Entwürfe werden in der zugehörigen Abbildung fein säuberlich mit Piktogrammen illustriert und dem Ideal der traditionellen Familie (Vater mit Aktentasche, Mutter mit Kleid und Zopf und vier Kinder) gegenübergestellt: unter anderem Alleinerziehende, homosexuelle Paare mit Kindern, Doppelverdiener, Familien mit Hausmann, Wochenendfamilie, Kinderlose, schwule und lesbische Paare, Patchwork-Familien, freie Wohn- und Lebensgemeinschaften etc. Hier wird, wie an vielen anderen Stellen dieses vom Verlag als "wertvolles Werkzeug" bezeichneten Buches, ein archaisches Gottes- und Gesellschaftsbild vermittelt, das mit den Werten einer liberalen, demokratischen Gesellschaft unvereinbar ist.

An anderer Stelle (Tabellarische Übersicht zur "Veränderung der Schöpfung durch Gottes Gerichte" auf S. 208) findet sich vor dem Sündenfall "Ehe für Mann und Frau (Monogamie)" und in der Situation danach "auch Vielehe (Polygamie), Homosexualität und andere Formen der Perversion". Ähnliche zutiefst diskriminierende Formulierungen finden sich mehrfach und zeigen die Gefahr, die von solchen Büchern ausgeht: Im Mantel einer naturwissenschaftlich verkleideten Darstellung wird ein extrem konservatives Gesellschafts- und Weltbild transportiert - genau das, was die "Wedge-Strategy" der US-amerikanischen Fundamentalisten propagiert: Evolution und Kritik an ihr als "Einfallstor" für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft - und hier auf dem Weg über Kinder und Schule. So findet sich in einem Verlagstext (Internetzugriff beim Daniel-Verlag am 9.1.2008) folgende Anmerkung:

"Zielgruppe sind sowohl die christlichen Schulen - dieses begeleitende Schulbuch wird inzwischen von zahlreichen Bekenntnisschulen eingesetzt - als auch jede christliche Familie."

Empfohlen und gelobt wird dieses Buch von Reinhard Junker, einem der Köpfe der "Studiengemeinschaft Wort und Wissen", die damit auch zu erkennen gibt, dass sie eben nicht wie manchmal beschönigend dargestellt wird, zu der etwas gemäßigteren Fraktion der Evolutionsgegner gehört.

Was man im übrigen unter "begleitendem Schulbuch" verstehen soll, liegt auf der Hand: Auf dem Tisch in der Schule liegt ein Biologiebuch aus dem Kanon der von den zuständigen Kultusbehörden zugelassenen Büchern (vor allem, wenn jemand von der Schulbehörde einmal hereinschauen sollte) und unter dem Tisch - vermutlich im wahrsten Wortsinn "maßgeblich" - "Creatio" - eine erschreckende Vorstellung, nicht nur für einen Biologen. Und so geht damit an die Schulbehörden auch die Aufforderung einer strengen Kontrolle solcher "Bekenntnisschulen" und ihrer Unterrichtsinhalte. Ein weiteres Detail stimmt nachdenklich: Eine portugiesische Übersetzung ist am 1.10.2007 erschienen; Übersetzungen ins Englische, Russische und Spanische sind in Arbeit. Wer finanziert dies eigentlich?




Fußnoten

[1] Inkl. DVD mit dem kompletten Buch im pdf-Format sowie zahlreichen zusätzlichen Texten (überwiegend von Autoren der "Studiengemeinschaft Wort und Wissen", Baiersbronn).

Autor: Stefan Schneckenburger